Codeknacker
- Papa: Ich hab euch auf euren Daddelgeräten einen Sperrcode eingerichtet, damit der kleine Apfelbruder sie nicht mehr einschalten kann.
- Apfelschwestern: Was müssen wir eintippen?
- Papa: Das Jahr, in dem Heinrich V. seine eigene Krönung zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in Rom durch den Papst erzwungen hat.
- Apfelschwestern: Hä?
- Papa: 1111
Eine halbe Stunde später.
- Apfelschwestern: Papa! Der Apfelbruder hat den Code geknackt!
Gutenachtgeschichten
Mein Vater erzählte mir früher selbsterdachte Geschichten von Roboter Rubin, der mit seinem Raumschiff die Weiten des Weltraums erforschte …
Seit einigen Jahren erzähle ich meinen Kindern vor dem Einschlafen eine Geschichte. Es begann mit dem Nacherzählen der Geschichten von der kleinen Hexe Lisbet, deren Welt sich in unseren Geschichten schnell zu einem ganz eigenen Universum ausdehnte. Lisbets Freundin, die kleine Hexe Trixie, spielte eine immer größere Rolle. Figuren aus neu vorgelesenen Bücher wurden in unsere Geschichten übernommen. Der Räuber Hotzenplotz, der nach dem dritten Band ja nun ein Räuberwirt war. Die Großmutter, bei der sich in unseren Geschichten herausstellte, dass sie früher auch eine Hexe war. Und natürlich Kasperl und Seppel, die sich in unserer Welt in die beiden kleinen Hexen verliebten.
Vor allem aber wurden ganz neue Figuren erschaffen.
Zuallererst der große Zauberer Helmdödel (dessen Name eine ganz eigene Geschichte hat), der gerne auf seiner Kartoffelmaschine (einem Motorrad) durch unsere Geschichtenwelt knattert und die beiden kleinen Hexen oft im Beiwagen sitzen hat. Helmdödel, der zusammen mit seinem gleichgeschlechtlichen Freund, dem Zauberer Zwackelmann (der fiktive gute Bruder des bösen Zauberers aus dem zweiten Band vom Räuber Hotzenplotz) bei Lisbet und Trixie wohnt. Beide haben selbstverständlich ein eigenes Zauberschloss, fühlen sich dort aber oft einsam, weshalb sie das Gästezimmer des Hexenhauses dem Zauberschloss vorziehen.
Viele Abende lang schlich plötzlich das gefährlichste Monster der Welt durch das Hexenhaus. Zunächst nur als dunkler Schatten und mit der geflüsterten Warnung »Schaut mich nicht an!«. Ein Monster, das sich vor gar nichts fürchtet und dessen unvorbereiteter Anblick jede und jeden kurzfristig zu Stein erstarren lässt. Je böser sein Blick, desto länger die Starre. Tagelang rätselten die kleinen Apfelfreundinnen, wie dieses Monster wohl aussieht. Mittlerweile wohnt Herbert, so heißt das Monster, friedlich im Keller des Hexenhauses und fällt in der Wohngemeinschaft nur dann unangenehm auf, wenn er mal wieder den Hausmüll oder ein Paar alte Socken mit großem Genuss verspeist. Sein kleiner Freund ist das Monster unterm Bett. Ein Monster, das sich vor allem und jedem fürchtet und sich unter Trixies Bett am sichersten fühlt. Weitere Nebencharaktere sind die beiden Mitbewohner Katze Matratze und Ratte Krawatte. Und dann gibt es neuerdings noch Schlunz, der erst nur in Helmdödels Träumen sein Unwesen trieb, nun aber auch im Hexenhaus regelmäßige Auftritte hat und dem Monster unterm Bett erst letzte Woche das Leben gerettet hat.
Außerhalb des Hexenhauses kommen und gehen sowieso die unterschiedlichsten Figuren.
Der großen Apfelschwester sind die Geschichten manchmal schon zu verrückt (das Männchen, das in einem Frühstücksei lebt); die kleine Apfelschwester wünscht sich mehr Einhörner (vorgestern waren immerhin zehn davon im Garten von Lisbet und Trixie). Ich bin gespannt, wie sich die Geschichten weiterentwickeln werden, wenn dann bald neben den Mädels auch der kleine Apfelbruder ein aufmerksamer Zuhörer sein wird. Vielleicht landet ja auch irgendwann hinterm Hexenhaus das Raumschiff von Roboter Rubin, der den Kindern dann einen kleinen Gruß ihres vor vielen Jahren verstorbenen Opas ausrichten wird, den sie leider nie kennengelernt haben.
Von Äpfeln und Fenstern
»Warum nur, warum?« Einmal mehr wachte Doktor Apfelfreund mit dieser Frage im Kopf erschrocken auf und fand nicht wieder in den Schlaf. Äpfel! War es einst nicht das gewesen, was ihn ausmachte? Nachdem er Jahrzehnte in eckige Fenster geblickt hatte, war der graziöse Anblick von abgerundeten Ecken, verbunden mit der schlichten Eleganz damals das, was ihn so entzückte und seiner digitalen Seele eine besondere Art von Befriedung gab. Ja, das machte ihn aus.
Da waren aber auch die Momente, in denen diese schlichte Eleganz von Doktor Apfelfreund forderte, sich ihr ganz zu ergeben: »Mach es so, wie es sich die Apfelingenieure gedacht haben!«, lautete der Befehl aus den abgerundeten Ecken, die letztlich dann auch nur Fenster waren. »Nein!«, schrie Doktor Apfelfreund zurück und machte es so, wie es sein Verstand und sein Sinn für Perfektion für richtig hielten. Doch nicht selten kam die Strafe für ein solches nicht standardkonforme Verhalten zeitnah hinterher. Plötzlich nicht funktionierende Zeitmaschinen, nicht synchronisierende Medienbibliotheken oder falsch exportierte Fotos seiner Lieben – um nur die drei bedeutendsten Beispiele der letzten Wochen zu nennen – raubten Doktor Apfelfreund die Zeit, die er eigentlich dachte einsparen zu können, und machten ihm nur allzu deutlich klar, dass die einst so hoch gepriesenen Apfelingenieure doch nur mit Wasser kochten und vielleicht nicht einmal Wasser im Topf hatten, obwohl Doktor Apfelfreund mehr als genug Geld dafür gezahlt hatte, dass dieses Wasser zu kochen hatte. Doch war es wirklich nur das Geld? »Nein!«, rief Doktor Apfelfreund aufgeschreckt aus seinem Bett in die Dunkelheit der Nacht.
Es war das Konzept in seiner Gesamtheit, das ihn dazu gebracht hatte, seiner Ehefrau für weniger als den halben Preis den Blick in ein Fenster zu öffnen, hinter dem tatsächlich auch die Perfektion möglich war, die Doktor Apfelfreund so liebte. Uns so wollte er diesen Weg auch weitergehen. Perfektion! Die Gedanken und Fragen verflogen und Doktor Apfelfreund fand den Schlaf und den Seinszustand jenseits von Äpfeln und Fenstern.
Switch
Ein bisschen fühlte es sich so an, als wäre die Hölle zugefroren. Aber nachdem Doktor Apfelfreund schon seit über einem Jahr sein Apfelfon nur noch zum morgendlichen Wecken verwendete und ansonsten mit seinem – wie er es gerne nannte – »Bewusst-Mittelklasse-Motofon« unterwegs war – was ihm zudem überaus große Freude bereitete –, war es letztlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch die heimische Belegschaft von Äpfeln in Form von Computern genug haben sollte. Und so stand nun also ein neuer und mit Doktor Apfelfreunds gewohnter Perfektion eingerichteter Fensterrechner auf dem Schreibtisch seiner Ehefrau, dessen Anschaffung die Entscheidung für diesen, die Hölle zufrierenden »Switch« nicht nur festigen sollte, sondern der tatsächlich auch noch so hieß.